Der feine Unterschied
Mit ihren Geschmacksnerven kann keiner konkurrieren, schlie�lich werden sie fast ein Jahrzehnt lang geschult: Was ein Teetester alles wissen muss und schmecken kann.
Es ist, als w�re hier die Zeit stehen geblieben: Der rote Backstein leuchtet in der Sonne und wie vor hundert Jahren prangt stolz in gro�en goldenen Lettern der Firmenname "H�lssen & Lyon" drau�en an der Wand - das traditionsreiche Hamburger Teehandels-Unternehmen sa� schon in der Speicherstadt, als der Tee noch mit speziellen Seglern, den Tee-Clippern aus Fernost nach Europa gebracht wurde. Und wom�glich fast genau wie vor hundert Jahren, stehen drinnen im Musterzimmer die Regale bis zur Decke voll mit Teekisten und -dosen und auf den Tischen reihen sich fein s�uberlich die Tassen und Gl�ser zum Probieren.
Die ganze Palette der Teewelt kommt bei Frank Pauls als Muster auf den Tisch: Assam, Ceylon, Darjeeling, Schwarztee und Gr�nteee stehen als Aufguss und Blattmuster bereit - die Farbt�ne in den Tassen variieren von zarten, lichten Gelb, �ber Gr�n, Orange bis zum kr�ftig dunklen Bernsteinton. Das ist schon mal was f�r Auge und Nase, aber in der Hauptsache geht's hier um den Geschmack. Und da ist Frank Pauls nicht nur ein ganz sensibler, das muss er als Teataster schlie�lich sein. Er testet auch verdammt schnell: Wie im Akkord schl�rft sich der Experte durch die Tassen-Reihe und spuckt das Ganze sofort wieder in den kupfernen Spitton - ein Bewegungsablauf routiniert wie im Schlaf. Wie man bei dem Tempo allerdings �berhaupt etwas schmecken kann, bleibt dem Laien ein R�tsel.
Aber es funktioniert. Das Urteil - in sekundenschnelle mit absoluter Sicherheit gef�llt - ist Ergebnis einer jahrelangen Ausbildung. Sieben bis zehn Jahre dauert es, bis der Geschmacks- und Geruchssinn eines "Teeologen", wie sich Pauls gern selbst bezeichnet, auf die �ber 3000 verschiedenen Teesorten und dazugeh�rigen Qualit�ten eingestimmt ist und sie treffsicher benennen kann. Erst ganz zuletzt geht es dann darum, unter den Tees die wirklich Besten herauszuschmecken. Die feinsten Nuancen unterscheiden zu k�nnen, das braucht - auch bei rund 600 Teeproben pro Tag - viel Zeit, viel Geduld und vor allem ganz viel Erfahrung.